Das Verstärkerglühen der MX 916 bei langbelichteten Bildern


Anfangs habe ich mit der CCD-Kamera MX 916 von Starlight nur kurzbelichtete Bilder (30 - 60 Sekunden) gemacht und dann bis zu 30 von diesen Bildern punktgenau zum fertigen Bild addiert. Dies habe ich mit meinem Bildbearbeitungsprogramm "Fits" gemacht. Dort sind spezielle Routinen implementiert, welche viele Bilder aus einem Verzeichnis auf der Festplatte exakt (auch bei leichten Verschiebungen der einzelnen Bilder) übereinanderaddieren. Irgendwann kam bei mir allerdings der Wunsch auf, länger belichtete Bilder zu erstellen. Einerseits wollte ich die riesige Datenflut an Rohbildern eindämmen (alle Festplatten haben nur eine endliche Größe) und andererseits wollte ich die Nachbearbeitung der Bilder vereinfachen.

Für langbelichtete Bilder muss die Montierung des Telekops jedoch mit einer Nachführungskorrektur ausgerüstet sein, damit die Abweichungen in der normalen RA-Nachführung ausgeglichen werden können. Die Starlight MX 916 (und auch viele andere CCD-Kameras von Starlight) haben nun die schöne Möglichkeit, zwei Bilder gleichzeitig mit einer Kamera zu erstellen. Auf dem CCD-Chip sind jeweils die geraden und die ungeraden Zeilen des Chips völlig unabhängig voneinander einsetzbar. Auf diese Weise kann man z.B. die geraden Zeilen für die Integration des eigentlich gewünschten Astrobildes über mehrere Minuten hinweg benutzen und die ungeraden Zeilen können gleichzeitig für die exakte Nachführung des Telekops verwendet werden. Dabei wird ca. jede Sekunde ein kleiner Teil des Bildes in die Steuersoftware der Kamera geladen und verarbeitet. Man wählt einen Bildbereich aus, indem sich relativ heller Stern, der als Leitstern geeignet ist, aus. Mit diesen kleinen Bildern errechnet eine Software die erforderliche Nachführungskorrektur und steuert das Telekop entsprechend nach. Man benötigt hierzu eine kleine Zusatzelektronik, S.T.A.R.2000, ebenfalls von der Firma "Starlight", die ich an meinen Vixen SkySensor 2000 PC und an einem Notebook (oder PC) anschließen kann.

Soweit so gut. Klare Nacht abwarten, alles aufbauen, schönes Objekt suchen, langbelichtetes Foto machen, Bildbearbeitungssoftware starten, Kontrast erhöhen und die Ergebnisse sind in Bild 1 und 2 zu sehen.

Bild 1: NGC 4157, belichtet: 5 Minuten, Rohbild kontrastvertärkt

Bild 2: NGC 6894, belichtet: 5 Minuten, Rohbild kontrastvertärkt

Bei beiden Bildern wurde nur der Kontrast sehr stark angehoben und es wurden keine weiteren Bearbeitungsschritte durchgeführt. Was uns jetzt zunächst interessiert, ist der helle Fleck in der linken, unteren Ecke der Bilder.

Frage: Woher kommen die Flecke?

Da die CCD-Kamera nun ca. jede Sekunde ein Bild macht und dieses auch aus der Kamera ausgelesen wird, um die Nachführungskorrektur durchzuführen, ist der Verstärker auf dem Kamerachip sehr lange Zeit in Betrieb. Die entstehende Wärme zeigt sich nun auf unseren Astrofotos! Schade!

Frage: Was kann man dagegen tun?

Im Handbuch zur S.T.A.R.2000-Erweiterung steht, dass man mit eingeschaltetem S.T.A.R.2000 ein entsprechendes Dunkelbild erstellen soll und dieses ganz normal, wie jedes andere Dunkelbild, vom Rohbild abziehen soll (Bild 3). Die Ergebnisse nach der Subtraktion des Dunkelbildes waren allerdings nicht befriedigend. Es blieb immer ein geringer Rest des Verstärkerglühens in der Ecke übrig und bei einer starken Kontrastanhebung machte sich wieder ein heller Fleck in der Ecke breit. Dieses "Restglühen" kann z.B. dann übrig bleiben, wenn während der beiden Aufnahmen (Astro-Bild und Dunkelbild) die Temperatur etwas abfällt, was ja bei Langzeitbelichtungen durchaus der Fall sein kann (siehe auch: Rauschen bei CCD-Kameras). Dadurch wird das Rauschen beim zweiten Bild (nämlich dem Dunkelbild) etwas geringer und somit wird im Astro-Bild nicht genug Rauschen abgezogen.

Bild 3: Ein Dunkelbild mit laufendem S.T.A.R.2000

Man muss sich auch klar machen, dass der Effekt des Verstärkerglühens sich mit zunehmender Belichtungszeit immer stärker bemerkbar macht. Ausserdem muss man für jedes langbelichtete Bild nun auch ein ebenso lang belichtetes Dunkelbild erstellen. Das ist die reine Zeitverschwendung in einer klaren Nacht!

Also wollte ich dem Verstärkerglühen mit mathematischen Mitteln an den Kragen gehen. Im ersten Versuch bin ich davon ausgegangen, dass die Verteilung des Glühens in Bild einer Exponentialverteilung gehorcht. D.h., wenn die lange Bildkante die x-Achse ist und die Intensität des Verstärkenglühens mit I bezeichnet wird, dann sollte sich das Glühen mit einer Formel wie der folgenden ausrechnen lassen:

        I = A * exp(B * (x - x0))

Die beiden Konstanten A und B müssen mit einem mathematischen Verfahren (Ausgleichsrechung oder auch Fitting genannt) berechnet werden. Dazu muss man für jede Zeile des Bildes einen sog. Exponential-Fit durchführen und kann danach den theoretisch berechneten Wert für das Verstärkerglühen vom Bild abziehen. Diese Funktion habe ich in meinem Bildbearbeitungsprogramm programmiert. Das Ergebnis ist im folgenden Bild 4 zu sehen:

Bild 4: Unterdückung des Glühens mit Exponential-Fit

Im Vergleich zu Bild 3 ist das Rauschen deutlich reduziert, das Ergebnis ist jedoch nicht befriedigend. Bei allen Bildern (3, 4 und 5) wurde der Kontrast gleich stark angehoben. Bei Bild 4 und beim folgenden Bild 5 habe ich den Rechenalgorithmus einfach auf das Dunkelbild in Bild 3 angewendet. Wenn das jeweilige Verfahren korrekt arbeitet, dann müsste das Ergebnisbild gleichmäßig grau-schwarz sein und die "Hot-Pixels" müssten noch immer zu sehen sein.

Im nächsten Versuch wurde der Fit für eine Gauss-Funktion benutzt, um das Verstärkerglühen abzubilden. Eine Gauss-Funktion wird folgendermaßen dargestellt:

        I = A * exp(B * (x - x0) * (x - x0))       

Die Vorgehensweise ist die gleiche, wie beim ersten Experiment. Das Ergebnis in Bild 5 kann sich schon eher sehen lassen:

Bild 5: Unterdrückung des Glühens mit Gauss-Fit

Erst bei einer weiteren Kontrastverstärkung um den Faktor 6 tauchen in der Ecke wieder Reste des Verstärkerglühens auf. Was man jedoch auch deutlich sehen kann, ist, das dieser Algorithmus einen grossen Teil des Hintergrundrauschens wegnimmt. Das hört sich zunächst positiv an - aber eventuell werden hier auch schwache Details des Astroobjektes gleich mit abgezogen. Trotzdem möchte ich ein langbelichtetes Astro-Bild, welches mit diesem Verfahren behandelt wurde, darstellen (Bild 6):

Bild 6: M 57, 5 Minuten belichtet, mit Gauss-Fit behandelt

Das Ergebnis ist nicht schlecht, aber die Suche nach einem idealen Verfahren wurde jedoch noch nicht eingestellt.

Nächste Idee: Wenn man davon ausgeht, dass die Verteilung des Verstärkerglühens in einem Bild immer von der gleichen Form (die Annahme stimmt wohl, da sich der Verstärker in der Kamera ja nicht hin- und her bewegt....), jedoch entsprechend der Belichtungszeit mehr oder weniger stark ist, sollte es möglich sein, einmal ein Bild vom Glühen zu machen und dieses immer wieder zu benutzen - es muss nur ein Faktor berechnet werden, der den Unterschied in der jeweiligen Belichtungszeit ausgleicht. Temperaturunterschiede haben natürlich einen Einfluss auf das Verstärkerglühen. Sie sollten sich dann jedoch in einem leicht anderen Faktor ausdrücken.

Die oben beschriebene Funktionalität wurde ebenfalls in mein Bildbearbeitungsprogramm "Fits" eingearbeitet. Dann wurde ein Dunkelbild mit eingeschaltetem S.T.A.R.2000 erstellt. Von diesem Dunkelbild wurde ein Dunkelbild des Ausleserauschens der Kamera (Belichtungszeit so kurz wie möglich) abgezogen, um das Verstärkerglühen so "rein" wie möglich festzuhalten. Ausserdem ist das Ausleserauschen nur temperaturabhängig, jedoch nicht von der Belichtungszeit abhängig. Dies ist nun mein "Ur-Dunkelbild" für die Korrektur des Verstärkerglühens. Der oben erwähnte Faktor wird durch ein bißchen Rechnerei ermittelt, auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte. Mein Bildverarbeitungsprogramm erledigt die Berechnung des Faktors in kürzester Zeit automatisch (Rechenzeit kleiner als 0.1 Sekunden). Wichtig ist bei der ganzen Sache nur, dass das Verstärkerglühen des Ur-Dunkelbildes und des zu bearbeitenden Astrobildes in der gleichen Bildecke liegen. Ansonsten muss das Dunkelbild mit einem Bildverarbeitungsprogramm durch horizontales und/oder vertikales Spiegeln oder Drehen entsprechend angepasst werden. 

Ich möchte jetzt einige Ergebnisse präsentieren, die ich mit dieser Methode erzielt habe:

Bild 7: M 57, starker Kontrast, 5 min. belichtet Bild 8: M 57, Aufnahme aus Bild 7, aber Verstärkerglühen durch Dunkelbild abgezogen, starker Kontrast
Bild 9: M 57, Aufnahme aus Bild 7, aber Verstärkerglühen durch Dunkelbild abgezogen, normaler Kontrast Bild 10: M 101, Verstärkerglühen durch Dunkelbild abgezogen, 10 min. belichtet
Bild 11: IC 5146, 5 min. belichtet Bild 12: IC 5146, Aufnahme aus Bild 11, aber  Verstärkerglühen durch Dunkelbild abgezogen
Bild 13: NGC 6894, 5 min. belichtet, Verstärkerglühen durch Dunkelbild abgezogen Bild 14: Sh2-101, 5 min. belichtet, Verstärkerglühen durch Dunkelbild abgezogen
Bild 15: M 82, 10 min. belichtet, Verstärkerglühen durch Dunkelbild abgezogen Bild 16: 20 min. belichtet, Verstärkerglühen durch Dunkelbild abgezogen

Die Bilder 7 bis 16 wurden nur mittels des Korrkturbildes für das Verstärkerglühen ("Ur-Dunkelbild") und durch eine Kontrastverstärkung bearbeitet. Ich habe bewusst keine anderen Verfahren (auch kein Flat-Bild) benutzt, um die Ergebnisse nicht zu verfälschen. Die Rohbilder wurden an verschiedenen Tagen und mit unterschiedlichen Belichtungszeiten aufgenommen. Trotzdem wurde immer das gleiche Dunkelbild für die Korrektur des Verstärkerglühens eingesetzt. Die Bildbearbeitung wurde mit meinem Programm "Fits" ausgeführt.

Bild 7 und 8 zeigen den planetarischen Nebel M 57 mit einer sehr hohen Kontrastverstärkung. Entscheidend ist hier, dass auf beiden Bilder der kleine Begleiter von M 57 (IC 1296, rechter Bildrand, etwas unterhalb der Mitte) in gleicher Intensität zu sehen ist. D.h., der Abzug des Korrekturbildes hat die schwachen Details in Bild 8 nicht elimiert. Hier kann man auch noch einen interessanten Nebeneffekt beobachten: Die "Hot-Pixels" aus dem unbearbeiteten Bild 7 sind in Bild 8 (bearbeitet) nicht (bzw. nur noch an sehr wenigen Stellen; zwei Hot-Pixel habe ich Bild 8 noch entdeckt) noch sichtbar! Warum einige wenige Hot-Pixel übrig bleiben, muss noch geklärt werden.

Bild 9 und 10 zeigen ganz normal bearbeitete Bilder von M101 und M 57. Das Verstärkerglühen ist nicht zu sehen. Bei M 101 ist in der unteren linken Bildecke kein Intensitätsschwund im sehr schwachen Galaxienarm zu erkennen.

Bild 11 und 12 zeigen im Vergleich (ohne und mit Dunkelbildabzug) den schwachen Emissionsnebel IC 5146. Das Ergebnis ist sehr befriedigend.

Schliesslich zeigen die Bilder 13 und 14 zwei weitere schwache Himmelobjekte: NGC 6894 und Sh 2-101. Auch hier überzeugt das Ergebnis der Rechenroutine.

Die Bilder 15 und 16 zeigen das relativ einfache Objekt M 82 mit zwei verschiedenen Belichtungszeiten. Bei diesen beiden Bildern wurde ein anderes Teleskop verwendet, als bei der Aufnahme des Ur-Dunkelbildes (aber die gleiche Kamera!). Trotzdem kann man das Verstärkerglühen restlos eliminieren.

Noch eine Anmerkung: Man sollte darauf achten, dass das "Ur-Dunkelbild-Verfahren" (vielleicht sollte ich die Abkürzung "UDV" einführen) nicht "zu spät" angewendet wird. D.h., der Kontrast des Astro-Bildes sollte vor der UDV-Bearbeitung nicht zu sehr angehoben werden. Ansonsten treten im Bereich des Verstärkerglühens größere Kontrastverluste im Ergebnisbild auf. Der Faktor, der für das Ur-Dunkelbild angewendet wird, sollte idealerweise zwischen 0.2 und 5.0 liegen. Aus diesem Grund gibt mein Bildbearbeitungsprogramm den Faktor aus und fragt dann nach, ob die Methode angewendet werden soll.

Eigentlich ist das Verfahren sehr trivial, schliesslich passiert nicht anderes, als eine gewichtete Subtraktion eines Dunkelbildes. Da die Intensität des Verstärkerglühens jedoch nur von der Belichtungszeit (exakter: von der Arbeitszeit des Verstärkers) und der Temperatur abhängig ist, sollte die Methode so anwendbar sein.

Die Bildbearbeitung läuft mit dem beschriebenen Verfahren allgemein folgendermaßen ab:

Ur-Dunkelbild erstellen: Bild mit langer Belichtungszeit und eingeschaltetem S.T.A.R.2000 erstellen (= Bild "A"). Bild vom Ausleserauschen erstellen und von Bild "A" abziehen (= Bild "B"). Hier ist keine Flat-Field-Bearbeitung erforderlich.

Astro-Bild erstellen: Zuerst Bild "B" davon abziehen, dann Bild "A" mit berechnetem Faktor abziehen. Nun die Flat-Field-Bearbeitung normal durchführen. Dann Kontrast verstärken und andere Bildbearbeitungsmethoden anwenden. 

Zusammenfassung: Nach einigen Fehlversuchen mit "reiner" Mathematik (Exponential- und Gauss-Fit), scheint die Faktoren-Berechnung von einem Original-Dunkelbild, aufgenommen mit S.T.A.R.2000, die besten Ergebnisse zu bringen. Die Arbeit mit diesem Dunkelbild gestaltet sich sehr einfach, da es höchstwahrscheinlich nur einmal aufgenommen werden muss. Dies muss in den kommenden Nächten mit neuen Aufnahmen noch genauer geprüft werden. Es ist sicherlich sinnvoll, sich für verschiedene Belichtungsbereiche (z.B. 5 min., 10 min., 30 min., 1 h,...) jeweils ein Ur-Dunkelbild zuzulegen.

Ausserdem werde ich demnächst noch länger belichtete Bilder (30 bis 60 Minuten) erstellen und diese ebenfalls mit dem Verfahren behandeln. Die Ergebnisse werden dann natürlich hier veröffentlicht.

Wenn sich das Verfahren bewährt, hat man eine Menge Zeit für sinnvolle Aufnahmen gespart, die man sonst für relativ langweilige Dunkelbilder opfern müsste.

Hinweis: Auf der Download-Seite finden Sie ein kleines Kommandozeilen-Tool ("AntiGlow"), mit dem Sie das Verstärkerglühen der Starlight-CCD-Kameras von Ihren Bildern nach der oben beschriebenen Methode ("UVD") entfernen können. 

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