Spektroskopie - Die nächsten Schritte


In diesem zweiten Teil des Artikels wollen wir die bisherigen Möglichkeiten bei der Aufnahme von Sternspektren optimieren. Dazu zählen folgende Teilbereiche:

Die beiden ersten Punkte hängen unmittelbar zusammen. Wenn man den gesamten CCD-Chip für das Spektrum ausnutzt (die Sterndarstellung in 0. Ordnung soll nicht mehr auf dem Bild enthalten sein), bekommt man automatisch eine höhere Auflösung des Spektrums. Allerdings ist die Justierung in diesem Fall etwas schwieriger.

Eine weitere Steigerung der Auflösung kann man durch die Benutzung der höchsten Auflösung der CCD-Kamera MX 916 erzielen. Die Spektren in Teil 1 des Artikels wurden alle im "LowRes"-Modus aufgenommen. Die Kamera hat in diesem Fall in der langen Bildrichtung eine Auflösung von 376 Pixeln. Benutzt man dagegen nun den "HiRes"-Modus, erzielt man den doppelten Wert, nämlich 752 Pixel. Bei der Aufnahme von Spektren kann man idealerweise auch den "Fast HiRes"-Modus der Starlight-Kamera benutzen, wenn man das Spektrum entlang der langen Bildkante aufnimmt (Bild 1). In diesem Fall ist die Auflösung in der anderen Richtung nicht wichtig.

Bild 1: Anordnung des Spektrums auf Kamerabild

Die Ausrichtung und Scharfstellung von Kamera und Gitter ist bereits im ersten Teil des Artikels beschrieben worden. Beim Blaze-Gitter von Baader wird jedoch auch ein Halter für das Gitter mitgeliefert. Dieser Halter hat den Vorteil, dass er aus zwei in sich drehbaren Hülsen besteht. Mit Hilfe dieses Halters ist die Ausrichtung von Gitter und Kamera etwas einfacher zu bewerkstelligen. Der Baader-Halter wird also nun anstatt des Filterrades oder Filterschublade benutzt. Um die ganze Aktion mit der Justierung der Kamera nicht zu einfach zu machen, wollen wir die Kamera so einrichten, dass die lange Bildseite nach Norden zeigt (Bild 1). Dies hat den Vorteil, dass bei langbelichteten Bildern (z.B. von Galaxien oder planetarischen Nebeln) die Schneckenfehler in der RA-Achse nur zu einer (eigentlich auch erwünschten) Verbreiterung des Spektrums führen.

Wenn man nun eine Spektralaufnahme von der Wega (wir bleiben noch etwas bei diesem Stern) machen will, sollte man in folgenden Schritten vorgehen:

  1. Zusammenbau von Teleskop, Gitterhalter mit Gitter und Kamera.
  2. Kamerasoftware der MX 916 auf "Fast-HiRes"-Modus einstellen.
  3. Anpeilen der Wega durch das Sucherfernrohr.
  4. Scharfstellen mittels der Sternabbildung in der 0. Ordnung.
  5. Der Anfang des Spektrums sollte in irgendeiner Richtung auf den Bild ebenfalls zu sehen sein.
  6. Verdrehen von Kamera und Gitter, bis die Kamera mit der kurzen Bildkante nach Norden zeigt und gleichzeitig das Spektrum genau parallel zur langen Kante des Bildes läuft.
  7. Spektrum in die Mitte des Kamerabildes rücken.
  8. Testaufnahme durchführen, und prüfen, ob das Spektrum das gesamte Bild ausfüllt.
  9.         Wenn Spektrum zu klein, dann Abstand Gitter - Kamera vergrößern. Weiter bei Punkt 4.
  10.         Wenn Spektrum zu groß, dann Abstand Gitter - Kamera verkleinern. Weiter bei Punkt 4.
  11. Wenn alles passt, dann endgültige Aufnahme machen.
  12. Aufnahme prüfen, ob maximale Pixelintensität nirgendwo im Spektrum überschritten ist.
  13. Bild speichern.

Das ist schon eine "anstrengende" Prozedur. Den Abstand von Gitter und Kamera kann man übrigens mit Hilfe des Baader'schen Gitterhalters auch (in gewissen Grenzen) leicht korrigieren. Ich habe festgestellt, dass man mit der MX 916 den grossen Abstandsring vor die Kamera schrauben muss, um die gesamte Chipfläche auszunutzen. Ein Teil des "neuen" Wega-Spektrums ist in Bild 2 zu sehen.

Bild 2: Das Spektrum der Wega in hoher Auflösung

Die Sternabbildung der 0. Ordung befindet sich in diesem Bild an der linken Seite ausserhalb des Bildes. Wenn dies der Fall ist, befinden sich die "kurzen" Wellenlängen, also das blaue Licht auf der linken Seite des Spektrums und die "langen" Wellenlängen (das rote Licht) befinden sich auf der rechten Bildseite. Dies ist des Idealzustand, denn wir brauchen das Bild für die weitere Auswertung nicht um 180° drehen. 

Nun werden wir die Bilddaten wieder als Textdatei speichern, in Microsoft Excel einlesen und als Diagramm darstellen (Bild 3).

Bild 3: Das Spektrum der Wega als Excel-Diagramm

Bei dieser letzten Aktion konnten wir (leider) auch eine Grenze von Excel kennenlernen: Die Anzahl der Spalten in Excel ist begrenzt auf 256! Unser Spektrum ist jedoch wesentlich breiter. Also musste ich mit meinem Bildbearbeitungsprogramm das Spektrum zunächst einmal um 90° drehen. Auf diese Weise erhalten wir statt 600 waagerechten Spalten eine Tabelle mit 600 Zeilen. Die wiederum kann Excel verarbeiten. Das Ergebnis ist schließlich in Bild 3 zu sehen.

So, und nun geht es an die Auswertung des Spektrums. Zuerst kommt die Wellenlängenskala der X-Achse dran, die im Moment noch mit Pixeleinheiten besetzt ist. Dabei werden auch noch, ganz nebenbei, einige Linien konkret zugeordnet, d.h. benannt. Wie kann man nun eine Skalierung vornehmen? Am einfachsten ist es, wenn man schon "Eichspektren" vorliegen hat. Es ist allerdings auch im Fall des Wega-Spektrum relativ einfach, wenn man weiss, dass man in der Hauptsache in diesem Spektrum nur Wassersoff-Linien sieht. 

Einen Vorteil haben wir übrigens nun gegenüber einer Aufnahme mit einem Prisma: Die Wellenlängen-Skala eines Spektrums, welches mit einem Gitter aufgenommen wurde, ist linear. D.h., die ersten 100 Pixel im linken Teil des Spektrums entsprechen dem gleichen Wellenlängenunterschied, wie die letzten 100 Pixel im rechten Teil. Beim Prisma wäre dies nicht der Fall und die Kalibrierung der X-Achse wäre komplizierter.

Im folgenden stelle ich nun einige Wasserstoff-Linien auf, die im sichtbaren Bereich des Lichtes liegen (Tabelle 1):

Bezeichnung Wellenlänge in Angström Farbe
     
H alpha 6563 rot
H beta 4861 blau-grün
H gamma 4340 blau
H delta 4102 tiefblau
H epsilon 3970 violett

Tablle 1: Die interessanten Wasserstoff-Linien

Es gibt noch weitere Wasserstoff-Linien, als die in Tabelle 1 - aber diese Werte benötigen wir im Moment noch nicht (siehe auch: Referenzlinien für die Spektren-Kalibrierung). Die Linien mit großen, sprich "langen" Wellenlängen haben einen rötlichen, die mit kurzen Wellenlängen einen bläulichen Charakter. Die Frage ist nun, welche Linie gehört zu welchem "Zacken" in unserem Spektrum?

Machen wir zunächst einmal folgende Annahme: Die rechte Hälfte des Spektrums sollte die roten Linien enthalten. Das rote Licht beginnt so etwa bei 6000 Angström und geht dann bei etwa 8000 Angström langsam in das für unsere Augen unsichtbare Infrarot über. Also sollte die H alpha-Linie irgendwo zwischen 300 und 500 Pixel als "Zacke" oder besser als "Peak" zu sehen sein. Das ist jedoch beim ersten Hinschauen in unseren Spektrum nicht der Fall. Wir sehen höchstens einen "Mini-Peak" bei etwa 330 Pixel. Das könnte natürlich die H alpha-Linie sein - aber wir sind uns natürlich nicht sicher. Wenn wir weiter nach links (zu den blauen Linien) gehen, sehen wir jedoch mehrere starke Peaks. Einen Peak haben wir bei gut 150 Pixeln, einen bei 100 Pixeln und einen weiteren bei etwa 80 Pixeln. Wir müssen nun aus den Zahlenwerten in der Excel-Tabelle die genaue Pixelposition des Minimums dieser Peaks ermitteln (Tabelle 2).

Pixelposition Vermutete Wellenlänge
   
331 6563
154 4861
100 4340
76 4102

Tabelle 2: Die Pixelpositionen und zugeordneten Wellenlängen

In Tabelle 2 habe ich die "vermutlichen" Wellenlängen der Linien schon in einer zweiten Spalte aufgelistet. Besonders schwierig ist das Auffinden des Minimums der vermutlichen H alpha-Linie in den Daten. Nun muss gerechnet werden. Und zwar wollen wir ausrechnen, wieviel Angström einem Pixel in unserem Spektrum entsprechen. Man sollte hierzu möglichst weit auseinanderliegende Peaks benutzen, damit der Messfehler möglichst klein gehalten wird. Wir benutzen hier die beiden Peaks bei 154 und bei 76 Pixeln. Der Peak bei 331 Pixeln ist nur sehr schlecht auszumachen, also ist dieser Wert zu unsicher. Die Rechnung ist nun relativ einfach:

Angström pro Pixel = (Wellenlänge Peak 1 - Wellenlänge Peak 2) / (Pixelposition Peak 1 - Pixelposition Peak 2)

Dabei kommt man dann zu folgendem Ergebnis:

Unser Spektrum hat (vermutlich) in der Wellenlängenskala eine Einteilung von 9.73 Angström pro Pixel. So, da haben wir doch schon einmal etwas. Wenn das also alles stimmt, dann hätten wir an Pixelposition 76 die Wellenlänge 4102 Angström und mit jedem Pixel würde die Wellenlänge um 9.73 Angström grösser werden. Diese neue X-Skala kann man nun auch mit Excel berechnen und in das Diagramm eintragen lassen (Bild 4):

Bild 4: Das Wega-Spektrum mit der "vermuteten" Wellenlängenskala

So, nun müssen wir unser Ergebnis noch prüfen. Dazu habe ich in Tabelle 3 einige weitere Linien des Wasserstoffs aufgelistet, die wir nun zum Vergleich heranziehen können.

Bezeichnung Wellenlänge in Angström
   
H alpha 6563
H beta 4861
H gamma 4340
H delta 4102
H epsilon 3970
H [8] 3889
H [9] 3835
H [10] 3798

Tabelle 3: Weitere Linien des Wasserstoffs

Wenn man mit Excel nun die einzelnen Peaks auf ihren Wellenlängenwert hin untersucht, findet man eine ziemlich gute Übereinstimmung. Auch unsere H alpha-Linie haben wir an der richtigen Stelle vermutet. Wir können also nun davon ausgehen, dass unsere Wellenlängen-Skalierung richtig ist. In Bild 5 ist das Spektrum mit den zugeordneten Linien zu sehen.

Bild 5: Wega-Spektrum mit den zugeordneten Linien

Die Bearbeitung des Spektrums war jedoch garnicht so einfach. Eine spezielle Software für die Auswertung wäre sicherlich nicht schlecht. Insbesondere die Kalibrierung der Wellenlängen-Achse mußte einfacher gehen. Ausserdem haben wir unser Spektrum so ausgewertet, "wie es aus der Kamera kam". Da ein CCD-Chip in den verschiedenen Wellenlängenbereichen unterschiedliche Empfindlichkeiten aufweist, müßte unser Spektrum vor der Auswertung auch noch mit der Empfindlichkeitskurve der CCD-Kamera "bearbeitet" werden. Diese Operation würde aber mit einem Tabellenkalkulationsprogramm schon eine Menge Aufwand bedeuten.

Darum wollen wir im dritten Teil des Artikels unserem Wega-Spektrum mit einem Auswertungsprogramm für Spektren auf den Leib rücken.

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Wichtige Linien für die Spektren-Kalibrierung